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Wo steht Indien heute?
Indien ist führende Wirtschaftsmacht Südasiens, Regional­macht und gewichtiger globaler Partner. 2023 hatte Indien den Vorsitz über die Gruppe der 20 und richtete das G20-Gipfel-treffen in Neu-Delhi aus. Indien ist Atommacht. Indien ist ein Land der Superlative und auch Superreicher (deren Luxus – z.B. Milliardärs-Hochzeit in Mumbai im Juli 2024 – für Aufsehen sorgt). Auch deutsche Medien zeigen gerne Gesich­ter eines „Incredible India“, wie es das indische Tourismus-Marketing verspricht. Andere, weniger glänzende Gesichter und Geschichten werden in den Hintergrund gedrängt. Wir wollen ein bisschen hinter die Fassade des glänzenden Indiens schauen:

Indien hat laut UN-Bericht über 1,44 Mrd. Einwohner (FN1). Es ist das bevölkerungsreichste Land der Erde (zum Vergleich: in Deutschland leben rund 84 Millionen Menschen). Laut Daten der Weltbank lebten 2021 über 182 Millionen InderInnen (= 12,92 % der Bevölkerung) unterhalb der Armutsgrenze, d.h. sie hatten weniger als 2,15 $ pro Tag pro Kopf für Nahrung, Gesundheit, Wohnen, Bildung, Wasser und sonsti­ges Lebensnotwendige zur Verfügung (Berechnung des Kauf­kraftausgleiches von 2017) (FN 2). Bei einer hohen Inflationsrate von durchschnittlich 6 % während der letzten zehn Jahre reichen diese 2,15 $ in Indien jedoch kaum aus, um zwei ausreichende und ausgewogene Mahlzeiten pro Kopf pro Tag zu finanzieren, meint der Ökonom Ashoka Mody (Princeton University, USA) (FN 3). Deshalb geht er davon aus, dass tatsäch­lich etwa 30-40 % der Menschen in Indien in extremer Armut und prekären Lebensverhältnissen leben, d.h. etwa 500 Milli­onen Menschen (FN 4).

Ein weiteres schockierendes Zeugnis stellt der Welthunger-Index 2023 Indien aus, der jährlich von den Organisationen Welthungerhilfe und Concern Worldwide veröffentlicht wird. Hier erreichte Indien lediglich Platz 111 von 125 untersuchten Ländern und landete damit in der Schweregradkategorie „ernst“, hinter den Nachbarländern Bangladesch, Nepal und Pakistan (FN 5). Vor allem „Auszehrung bei Kindern“ (Anteil von Kindern unter fünf Jahren mit zu geringem Gewicht in Bezug auf die jeweilige Größe) und „Wachstumsverzögerung bei Kindern“ (Anteil von Kindern unter fünf Jahren mit zu gerin­ger Größe in Bezug auf das jeweilige Alter) erreichen in Indien alarmierend hohe Werte – Indikatoren für akute und chroni­sche Unterernährung. Neben nicht regelmäßiger ausreichen­der und ausgewogener Ernährung der Kinder (sowie der Mütter während der Schwangerschaft) deutet dies auch auf einen schlechten Zugang zu Gesundheits-, Trinkwasser- und Sanitärversorgung hin. Die Armut vieler Familien führt dazu, dass Kinder sich bereits vor der Geburt verzögert entwickeln, bleibende geistige und körperliche Schäden davontragen und mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls in Armut leben werden.

Dennoch: seit Jahrzehnten erlebt Indien einen wirtschaftlichen Aufschwung – wenn auch bei niedrigem Ausgangsniveau. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs seit den 2000er Jahren um durchschnittlich 7 % jährlich und lag 2023 bei ca. 3.300 Milliarden Euro (Dtl.im Vergleich: ca. 4.120 Milliarden Euro im Jahr 2023). Ein Zuwachs in Indien, von dem Deutschland nur träumen kann. Rechnet man jedoch das BIP auf Indiens Bevölkerungszahl um, erhält man den geringen Wert von 2.300 Euro pro Kopf/Jahr gegenüber 49.000 Euro pro Kopf/Jahr in Deutschland (FN 6). Oft dient die indische IT-Branche, die eine der führenden Wirtschaftssparten weltweit ist, als Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs und Wohlstands des Landes, jedoch waren 2023 hier lediglich fünf Millionen Menschen beschäftigt, ein Anteil von 0,35 % der indischen Bevölkerung.

Indiens Bevölkerung ist jung – etwa zwei Drittel der Bevölke­rung sind unter 35 Jahre alt (FN 7). Im Gegensatz zu Deutschland hat Indien aktuell einen Überschuss an ca. 245 Millionen Fachkräften. Jedes Jahr drängen etwa fünf Millionen neue Arbeitskräfte auf den indischen Arbeitsmarkt. Auf einzelne Stellen kommen oft tausende Bewerber, selbst mit einem Hochschulabschluss findet nur jeder vierte Absolvent eine adäquate Arbeitsstelle. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt gegen­wärtig bei 23 %. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist dies ein Potential für das Land, das weiteres Wirtschaftswachstum in den folgenden Jahrzehnten antreiben kann. Ein Land, das heute bereits vom „Export“ qualifizierter Arbeitskräfte – z.B. nach Deutschland – profitiert. Andererseits arbeiten heute noch 80-90 % im sogenannten informellen Sektor, ohne recht­liche und soziale Absicherung. Glaubt man den offiziellen Zahlen, sinkt die Armutsrate seit einigen Jahren (außer während der Corona-Pandemie). Die indische Mittelschicht wächst prozentual zur Gesamtbevölkerung und profitiert durch die konstant wachsende Wirtschaft, vor allem im Dienstleistungsbereich.

Doch wer hat die notwendige Qualifikation und bekommt einen der begehrten Arbeitsplätze? Wer profitiert von dem Wirtschaftswachstum? Welche Chancen haben benachteiligte Gesellschaftsgruppen, wie die Adivasi („Scheduled Tribes“ – indigene Stammes-Bevölkerung), die Dalits („Scheduled Castes“ – Kastengemeinschaften „unreiner“ Berufe) oder auch Frauen, die oft weniger oder keine schulische Bildung haben, weniger gut vernetzt sind, sozial und kulturell diskriminiert werden und oft in entlegenen Gebieten auf dem Land leben?

Wer schafft den Aufstieg in die Mittelschicht, den Weg aus der Armut tatsächlich?

Was unternimmt der indische Staat gegen Armut?
Seit 2014 verpflichtet ein Gesetz große indische Unter­nehmen, 2 % ihres durchschnittlichen Gewinns der letzten drei Jahre für Maßnahmen im Bereich Corporate Social Responsi­bility (CSR) auszugeben und damit gemeinnützige Projekte zu unterstützen. Im Finanzjahr 2022/23 förderten fast 20.000 Unternehmen über 44.000 Projekte mit 3,06 Mrd. Euro (FN 8). Im Bundesstaat Westbengalen, in dem die Projekte der Indien­hilfe liegen, wurden in diesem Zeitraum 65 Millionen Euro von örtlichen Firmen in CSR-Maßnahmen umgesetzt. Bei über 92 Millionen Einwohnern in Westbengalen – mehr als in Deutschland – ist die Summe pro Kopf mit 67 Cent zwar nur gering, doch trotzdem ist dies eine wichtige Maßnahme des indischen Staates, die Unternehmen in die Verantwortung für das Allgemeinwohl der Gesellschaft zu nehmen. Es gibt staat­liche Richtlinien, welche Maßnahmen im Rahmen der CSR durchgeführt werden können, doch die Auswahl der Projekte und des Projektgebiets liegt beim Unternehmen. Ein Kritik­punkt hieran ist die Konzentration der Projekte auf gut erreich­bare Gebiete mit aktiven und gut organisierten Strukturen. Entlegene schwer zugängliche Gebiete (z.B. das Adivasi-Gebiet im Jhargram-Distrikt unseres Partners KJKS) mit nur wenigen zivilgesellschaftlichen Initiativen, wie aktiven Frauen- und Gemeindegruppen und lokalen Nicht-Regie­rungsorganisationen, profitieren deutlich weniger von den CSR-Geldern.

Indien ist ein Land der extremen Gegensätze. Teile der Mega-Städte glitzern und boomen, in anderen Teilen werden gigan­tische Slum-Siedlungen immer größer. Die indische Regie­rung versucht, durch Großprojekte die für die wachsenden Menschenmassen notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, aber es reicht bei weitem nicht aus. Geld fehlt, um landesweit öffentliche Einrichtungen mit guter Qualität zu betreiben und instandzuhalten (FN 9). Die ärmere Bevölkerung spürt dies vor allem im Gesundheits- und Bildungsbereich, wo die staatlichen Einrichtungen meist nicht gut funktionieren. Wer es sich irgendwie leisten kann, schickt sein Kind auf eine Privatschule und geht zur Behandlung in eine private Klinik. Selbst einkommensschwache Familien geben einen Großteil ihres Einkommens für Nachhilfe und private Schulen aus. Für Familien unterhalb der Armutsgrenze ist dies jedoch unmög­lich, sie sind auf die häufig mangelhaften staatlichen Instituti­onen angewiesen und werden dadurch immer weiter abgehängt. Zusätzlich tragen ärmere Bevölkerungsgruppen oft die negativen Folgen der nicht immer umweltfreundlichen und nachhaltigen Infrastrukturmaßnahmen, wie Umweltschäden, Abholzung von Waldgebieten oder Mangroven, Räumung und Abriss von armen und oft unautorisierten Slumvierteln für Neubauprojekte, die wiederum für die Vertriebenen uner­schwinglich sind.

Deutlicher wird der Unterschied von Reich und Arm, wenn man Stadt und Land vergleicht: Ein Großteil der Bevölkerung (fast 60 %) ist in der Landwirtschaft tätig, viele von ihnen als Kleinbauern, Tagelöhner und Wanderarbeiter. Für die Unter­stützung der von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen hat der indische Staat verschiedene Förderprogramme aufgelegt, z.B. einen Zuschuss für die Schulbildung von Mädchen (FN 10). Vielen Berechtigten – gerade auf dem Land – fehlt jedoch das Wissen über diese Programme oder sie haben Schwierigkeiten bei der Beantragung. Viele Formulare sind nur online zugäng­lich, was den Besitz eines Smartphones oder Computers voraussetzt, die aber vielen Menschen fehlen. Zudem sind immer noch 26 % der Bevölkerung AnalphabetInnen (FN 11). Wie können diese Menschen erreicht werden, wie können sie bei der Beantragung der ihnen zustehenden Leistungen unterstützt und damit ihre Chancen und die ihrer Kinder erhöht werden, aus der Armut zu entfliehen? Wer hört ihre Stimmen?

Wo setzen die Projekte der Indienhilfe an?
Der verpflichtende Anteil an CSR-Ausgaben von indischen Unternehmen, viele Anstrengungen des indischen Staates zur Armutsbekämpfung sind positiv. Indien hat in den letzten Jahrzehnten im Rahmen der begrenzten staatlichen Haushalts­mittel gute Programme und Gesetze auf den Weg gebracht, um soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten abzubauen. Trotz­dem: Kinder, die in prekären Verhältnissen aufwachsen, in Slums oder entlegenen Gebieten mit schlechter Infrastruktur, in Familien mit geringer oder ohne Bildung und einem Einkommen unter dem Existenzminimum, wo oft Gewalt in den häuslichen Beziehungen vorherrscht und beide Eltern ganztags arbeiten, ohne adäquate Ernährung, ohne adäquate Behausung, Krankheiten ausgesetzt, ohne Unterstützung für den Schulunterricht, haben es sehr schwer, dem Teufelskreis der Armut zu entkommen.

Bildung, Schutz vor Gewalt, Persönlichkeitsent­wicklung und Befriedigung der Grundbedürfnisse sowie Integration und Förderung von Menschen mit Behinderungen sind Hauptschlüssel zur Befähigung von jungen Menschen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, sich gemeinsam mit anderen für ihr eigenes und das Gemeinwohl zu engagieren, gemeinsam Recht und Gerechtigkeit durchzusetzen und einen anderen, besseren Weg einzuschlagen. Damit schaffen sie es langfristig, dem Kreislauf der Armut zu entfliehen und an der Entwicklung Indiens teilzuhaben.
Das ist unser Ziel und daran arbeiten wir unermüd­lich mit unseren indischen Partnern in den Projekten.
Ihre Spende hilft, um diesen Menschen eine Chance auf ein Leben ohne Armut zu geben!
Dank Ihrer Unterstützung erreichen wir mit unseren Projekten über 2.500 Kinder und über 15.000 Familien- und Gemeindemitglieder und MitarbeiterInnen von staat­lichen Behörden und Institutionen, für und mit denen wir einen Weg aus der Armut schaffen wollen. Wir finan­zieren momentan acht Projekte, die mit Hilfe von sechs Partner­organisationen vor Ort in Westbengalen umgesetzt werden. Doch der Bedarf ist weitaus höher und so sind wir weiterhin dringend auf Ihre Spenden angewiesen, um diesen und noch mehr Kindern ein Leben ohne Armut, Gewalt und Kinderarbeit zu ermöglichen.
 

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FN 1: UNFPA (2024): UNFPA World Population Dashboard India, https://www.unfpa.org/data/world-population/IN, aufgerufen am 24.9.24. und https://www.bmz.de/de/laender/indien/soziale-situation-10292 (22.11.24)
FN 2: Weltbank (2024): Weltbank Country Profile: https://pip.worldbank.org/country-profiles/IND, aufgerufen am 1.8.24
FN 3: Xifan Yang (2024): „Viele haben weniger als 100 Euro im Monat“, Indien feiert sich als nächste große Wirtschaftsmacht – der Ökonom Ashoka Mody aber sieht darin nichts anderes als ein Wunschdenken des Westens, DIE ZEIT No. 24, 29.05.24, S. 23, Wirtschaft.
FN 4: Die Datenlage ist in Indien oft ungenau, wodurch Zahlen variieren. Der letzte staatliche Haushalts-Zensus war wegen Corona 2011. Nichtsdestotrotz zeigen sie eine Größenordnung auf.
FN 5: Von Grebmer et al. (2023): Welthunger Index 2023: Jugend als Treibende Kraft für Nachhaltige Ernährung, veröffentlicht von Welthungerhilfe und Concern Worldwide.
FN 6: Statista (2024): https://de.statista.com/statistik/daten/studie/14564/umfrage/wachstum-des-bruttoinlandsprodukts-in-indien/  aufgerufen am 1.8.24
FN 7: Konrad-Adenauer Stiftung Indienbüro: Länderbericht August 2023 – Das bevölkerungsreichste Land der Welt – Fluch oder Segen? https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/das-bevoelkerungsreichste-land-der-welt
FN 8: Government of India (2024): National CSR Portal: https://www.csr.gov.in/content/csr/global/master/home/aboutcsr/about-csr.html, aufgerufen am 1.8.24
FN 9: Im Jahr 2022/23 betrug der indische Staatshaushalt 510 Mrd. Euro - im Vergleich zu Deutschland mit 476 Mrd. Euro, wobei die Infrastruktur in Indien deutlich weniger ausgebaut und die Bevölkerung deutlich größer ist als bei uns.
FN 10: Eine ausführliche Darstellung von staatlichen Programmen und wie die Projekte der Indienhilfe sie nutzen, finden Sie im Herbstinfo 2020 sowie im Infobrief 3/2022 am Beispiel im Projekt des Partners SANCHAR.
FN 11: Government of India (2011): Household Census 2011, https://www.census2011.co.in/literacy.php, aufgerufen am 24.9.24.

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Indienhilfe e.V.

Indienhilfe e.V.
Register-Nr.: 652

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