Das Lake Gardens Women & Children Development Centre ist eine unserer ältesten Partnerorganisationen, mit der wir seit 2005 Krippen für Kinder aus Slums in Kolkata betreiben, um sie sicher zu betreuen und auf die Einschulung vorzubereiten, während die Eltern arbeiten müssen. Immer wieder gibt es in den Krippen und Slumsiedlungen Kinder, die eine verzögerte Entwicklung oder andere Auffälligkeiten zeigen. Daher haben wir im April 2023 Lake Gardens als eine von vier Partner- Organisationen für die Teilnahme an Moving Ahead ausgewählt (FN1). Gefördert durch die Schöck-Familien-Stiftung gGmbH startete damals mit Sanchar, unserem Projektpartner für inklusive Behindertenarbeit, unser zweijähriges Projekt Moving Ahead. Seit einem Jahr trainiert, berät und unterstützt Sanchar vier unserer Projektpartner, den Blick auf Menschen mit Behinderungen zu schärfen und das Thema Inklusion in all ihre laufenden Projekte und ihre Organisationsstrukturen zu integrieren.
Von Anfang an zeigten die MitarbeiterInnen von Lake Gardens sowohl auf der Management- als auch auf der Projektebene großes Interesse an den Trainings und Treffen mit den ExpertInnen von Sanchar. Seit langem war ihnen bewusst, dass einige Kinder in den Krippen Entwicklungsverzögerungen und einen erhöhten Förderbedarf haben, waren jedoch schnell mit den entsprechenden Kindern überfordert. Es fehlte ihnen das Verständnis und Fachwissen, wie sie diese Kinder besser fördern und die Familien unterstützen können.
In unserem Projekt The Vulnerable Ones mit Lake Gardens werden 65 Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren, die in prekären Familien- und Wohnverhältnissen in Slum-Gebieten in Kolkatas Stadtteil Lake Gardens aufwachsen, in drei Krippen betreut und gefördert und bekommen ein nahrhaftes warmes Mittagessen. So können die Eltern, und vor allem die Mütter, einer geregelten Arbeit nachgehen, ohne sich um ihre Kinder Sorgen machen zu müssen. Gleichzeitig beraten die ProjektmitarbeiterInnen die Eltern und die Familien in deren Umfeld zu Themen wie Gesundheit, Hygiene, Eröffnung von Bankkonten, Zugang zu staatlichen Leistungen, beraten die Mütter bei Fällen von (häuslicher) Gewalt. Seit diesem Jahr sensibilisieren sie nun auch für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen. In den „Communities“ ist vor allem die Wahrnehmung und Stigmatisierung von Menschen mit Behinderungen und deren Familien ein Problem, aber auch der Zugang zu staatlichen Förderprogrammen und speziellen Therapien. Die meisten Familien sind sehr frustriert und ungeduldig, wenn sie bei ihrem Kind keine oder kaum „normale“ Fortschritte sehen und können diese Verzögerungen nicht einordnen. Selbst, wenn sie die Behinderung ihres Kindes anerkennen und ihm helfen möchten, können sich die meisten Familien einen Therapieplatz nicht leisten oder warten vergeblich darauf.
So erging es auch der Mutter von Sujoy: Sujoy hat bereits drei Jahre lang die Colibri-Krippe von Lake Gardens besucht und kam vor kurzem altersentsprechend in die Vorschule. Er leidet jedoch an Krämpfen und kann mit fünf Jahren noch nicht verständlich sprechen. Früher hatten seine Betreuerinnen in der Krippe wenig Geduld mit Sujoy, doch nach den Trainings
urch Sanchar verstand das Lake-Gardens-Team seine Entwicklung besser und führte seit Monaten täglich mit ihm Sprechübungen nach speziellen Anleitungen von Sanchars ExpertInnen durch. Erfolge sind bereits hörbar. Doch in der Vorschule, in die er gewechselt war, fühlte Sujoy sich nicht wohl. Mit seiner Sprachstörung wurde er von MitschülerInnen und auch Lehrkräften von Anfang an ausgegrenzt. Lake Gardens hat sich nun bereit erklärt, Sujoy ein weiteres Jahr in der Krippe zu behalten und täglich mit ihm zu üben. Zugleich versuchen sie, zusammen mit Sanchar, die Mutter bei der Suche nach einem günstigen Therapieplatz zu unterstützen.
Insgesamt hat Lake Gardens in den letzten Monaten 19 Kinder mit Behinderungen in ihren Krippen und den Slums identifiziert und versucht, diese nun trotz aller Herausforderungen und Probleme in die Projektaktivitäten zu integrieren und zu fördern.
Jedes Kind mit Behinderungen und jede Familie hat andere Voraussetzungen und Bedürfnisse und benötigt deshalb individuelle Unterstützung. Das Team von Lake Gardens ist sehr motiviert, merkt aber auch, wie zeitintensiv diese zusätzlichen Aufgaben sind. Für das neue Finanzjahr 2024/25 hat die Indienhilfe die Einstellung einer weiteren Mitarbeiterin zur Unterstützung des Teams bewilligt, damit Lake Gardens dem Ziel „Leave no one behind!” ein kleines Stückchen näher kommen kann.
Auch unsere anderen drei Partnerorganisationen, die am Inklusionsprojekt teilnehmen, haben in den letzten Monaten einen geschärften Blick für Kinder mit Auffälligkeiten und deren Bedürfnisse entwickelt und begonnen, in ihren Projektgebieten verstärkt inklusive Aktivitäten umzusetzen: Neben der gezielten Förderung von Einzelfällen spielen die Aufklärung über Ursachen von Behinderung (FN 2) und die Sensibilisierung bezüglich der Stigmatisierung von Behinderung eine große Rolle. Der verbesserte Zugang zu regulären Schulen, Teilnahme, soweit möglich, am begleitenden Unterricht in den Nachhilfezentren im Rahmen der meisten Indienhilfe-Projekte, Unterstützung für den Zugang zu staatlichen Leistungen, wie Prothesen, Rollstühle, Hörgeräte, Fahrkostenzuschüsse etc., sind zentrale Bestandteile der Aktivitäten. Die meisten Familien waren bisher auf sich alleine gestellt, umso dankbarer sind sie jetzt, dass unsere Projektpartner nun auf sie zugehen und ihnen im Rahmen der Möglichkeiten bestmögliche Unterstützung anbieten. Die intensiven Trainings und Beratungen von Sanchar im Rahmen des Projektes Moving Ahead zeigen Wirkung. Die vier Organisationen wollen Inklusion in ihre Projekte integrieren und leben. Mit vielen kleinen Maßnahmen und Aufklärungsarbeit wollen wir am liebsten allen Kindern mit Behinderungen in unseren Projektgebieten gerecht werden und ihnen die notwendige Förderung für ein möglichst eigenständiges Leben verschaffen!
Für die Umsetzung bei den Pilot-Partnern benötigen wir dringend zusätzliche Spenden!
Projektkosten „Zusätzl. Inklusions-Maßnahmen“ 2024/25: etwa 19.000 €
Stichwort: Inklusion/Behindertenarbeit
FN 1: Die weiteren Organisationen sind: Hijli INSPIRATION, Seva Kendra Calcutta (SKC) und Kajla Janakalyan Samity (KJKS)
FN 2: nicht zufällig leben von weltweit 29 Millionen Kindern zwischen 0 und 4 Jahren mit einer oder mehreren Behinderungen ca. 90% in Ländern des Globalen Südens – d.h. in den weltweit ärmsten Bevölkerungsschichten, mit Unterernährung, Mangel an Hygiene und ärztlicher Versorgung etc. – siehe bezev